Auf ein Wort

Katja Hölscher

Manchmal, wenn wieder ein Treffen unseres Gebetskreises für die Wilhelm-von-Oranien-Schule in Dillenburg ansteht, merke ich, wie müde ich bin. Ich frage mich, warum ich mir noch einen Termin auflade. Doch jedes Mal erlebe ich das Gleiche: Ich gehe erschöpft hin – und komme erfrischt nach Hause. Es erfüllt mich, weil ich weiß: Es gibt nichts Besseres, als gemeinsam vor Gott zu kommen, eins zu werden im Gebet und Ihm die Anliegen ans Herz zu legen, die wirklich zählen.

Gebet verändert nicht nur Situationen, sondern vor allem uns selbst. Wenn wir unsere Müdigkeit, unsere Sorgen und unsere Fragen im Gebet ablegen, begegnet uns Gott in neuer Stärke. Deshalb gilt: Bevor wir etwas anderes tun – ob allein oder mit anderen – sollten wir ins Gebet gehen.

Die Bibel erinnert uns immer wieder daran:

  • „Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden.“ (Philipper 4,6)
  • „Betet ohne Unterlass.“ (1. Thessalonicher 5,17)
  • „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Matthäus 18,20)

Diese Verheißung trägt: Wenn wir uns gemeinsam zum Gebet treffen, ist es nicht nur ein Termin – es ist eine Begegnung mit Gott selbst.

Darum möchte ich dich und mich ermutigen: Müde sein ist menschlich – aber Gebet bringt uns in die Nähe des Vaters, und dort finden wir Erfrischung, neue Kraft und tiefe Freude. 

Herzliche Grüße,
Katrin

Katja Hölscher

FeG-Präses zur Jahreslosung 2025

Prüfet alles und behaltet das Gute.

1. Thessalonicher 5,21

Henrik Otto

GRUNDSÄTZLICH OFFEN. FÜR GOTT.

Laut wissenschaftlichen Schätzungen trifft ein Mensch durchschnittlich etwa 20.000 bis 35.000 Entscheidungen pro Tag. Die Anzahl kann stark variieren, abhängig von individuellen Faktoren wie der Komplexität der täglichen Aufgaben, der Persönlichkeit und dem Lebensstil.

Die meisten dieser Entscheidungen sind unbewusst und betreffen alltägliche Dinge, wie z. B. die Wahl der Kleidung, was man isst oder wie man sich bewegt. Nur ein kleiner Teil der Entscheidungen erfordert bewusstes Nachdenken, etwa bei wichtigen beruflichen oder privaten Angelegenheiten.

Interessant ist, dass viele Entscheidungen auf emotionaler Ebene bereits gefallen sind, bevor wir bewusst darüber nachdenken. Das liegt daran, dass unser Gehirn emotionale und intuitive Prozesse häufig schneller durchführt als die rationalen Überlegungen. Dann braucht es einen bewussten Denkprozess, um sich selbst ggf. noch einmal umzustimmen und nicht nur Gründe für die schon gefundene Lieblingslösung zu sammeln.

GRUNDSÄTZLICHER KOMPASS

Die neue Jahreslosung ist ein bemerkenswert verlässlicher Kompass für solche Herausforderungen: „Prüfet alles und das Gute behaltet.“ So schreibt es der Apostel Paulus an die Gemeinde in Thessalonich. Am Ende seines Briefes verdichtet er wesentliche Erkenntnisse für die persönliche Nachfolge und den Gemeindeaufbau zu äußerlich unscheinbaren, aber hochwirksamen Sätzen. Der Vers des Jahres 2025 ist einer davon.

Ein meditatives Experiment dazu? Wie gehaltvoll die Worte sind, merkt man, wenn man ihnen durch Betonung Gewicht verleiht: Prüfet alles und das Gute behaltet. Prüfet alles und das Gute behalten. Prüfet alles und … usw. Wenn ich mich nicht täusche, schillert der Satz so in sechs verschiedenen Weisen. Für jeden Werktag der Woche eine eigene Perspektive!

Auch wenn jede Aufforderung des Paulus (5,14–24) gut für sich stehen könnte, ist es doch ratsam, den Zusammenhang im Auge zu behalten. Dort geht es nämlich nicht um eine allgemeine Suche nach dem Wahren, Guten und Schönen. Was den Abschnitt zusammenhält, findet sich vielmehr am Ende: Gott, der Frieden schenkt, mache euch ganz und gar zu Heiligen. (Vers 23 | Basis Bibel). Ein starker Satz. So weit soll es also noch kommen mit uns!

Was für eine Aussicht, einmal ganz und gar heil zu sein, ganz und gar ungebrochen an Leib, Seele und Geist. Ein Mensch aus einem Guss vor Gott und für Gott. Das kann man nicht machen, das macht nur Gott. Geplanter Zieleinlauf: Bei der Wiederkunft Jesu.

Wesentlich für diesen Weg ist, was Paulus zuvor für ein Leben im Glauben empfiehlt: zum Beispiel ein dankbares Herz, eine Haltung des Gebets, Geduld für jedermann, Hilfe zu einem geregelten Leben und Ermutigung für die Ängstlichen. Dazu tritt die Jahreslosung mit ihren Begleitern (Verse 19–21), Verse, die die Bedeutung des Heiligen Geistes hervorheben. Er, Gottes Geist, ist Motor und Kompass auf dem anspruchsvollen Weg der Nachfolge. Wir brauchen ihn unbedingt! Es wäre fatal, ihn außen vor zu halten oder ihm allerhand andere Geisteshaltungen gleichzusetzen. Nein, sondern er braucht und verdient Raum in unserem Leben, und zwar konkurrenzlos.

Das also ist unsere Jahreslosung im Zusammenhang: Gottes Geist leitet, begabt, lehrt, tröstet, feuert an (Vers 19) und spricht das aktuelle Wort zur Lage (Vers 20). Das ist das Gute, das es festzuhalten gilt (Vers 21). Und sollte etwas aus einem anderen, schädlichen Geist heraus gesprochen oder angetrieben sein, sollten wir es lieber heute als morgen loslassen.

GRUNDSÄTZLICH OFFEN

Mich begeistert die grundsätzliche Offenheit des Paulus für Gottes Reden und Wirken mitten in unserem (Gemeinde-)Leben. Die Geistvergessenheit, die sich in Teilen des abendländischen Christentums breitgemacht hat, wäre ihm suspekt gewesen. Er fordert die Gemeinde in Thessalonich auf, den Heiligen Geist nur ja nicht zu hindern und einzuschränken. Dabei ist an die ganze Bandbreite seines im Neuen Testament bezeugten Wirkens gedacht. Und klar, dabei kann es auch zu Auswüchsen kommen: Menschen, die sich profilieren wollen; Aussagen, die dem Evangelium entgegenstehen; oder Einseitigkeiten, die dem Leben nicht gerecht werden.

Deshalb auch der Prüfauftrag. Nur – ein ängstliches Reproduzieren vermeintlicher Richtigkeiten, das wäre Paulus zu wenig gewesen. Das ist auch für einen Gemeindebund zu wenig, der eine geistliche Bewegung sein möchte und nicht nur ein Zweckverband. Es ist für jeden und jede von uns zu wenig, weil wir auf Jesus hinleben, weil das neue Leben mit ihm schon begonnen hat. Denn das zeigt sich in der vitalisierenden Anwesenheit von Gottes Geist.

GRUNDSÄTZLICH ALLE

Es gibt die besondere Begabung einzelner, ein prophetisches Wort zu sagen, besondere Erkenntnisse einzubringen oder die hohe Sensibilität, der Gemeinde Jesu auf ihrem Weg in die zukünftige Welt den Weg durch die jetzige zu weisen, das steht außer Frage. Und doch richtet sich Paulus an alle Christen, an die ganze Gemeinde: Sie ist aufgefordert und in der Lage, verantwortliche Entscheidungen zu treffen. Sie kann Aussagen und Wegweisungen geistlich bewerten und sollte das auch tun!

Gemeinde zu bauen ist keine Aufgabe für ein paar Spezialisten, sondern eine Berufung, die grundsätzlich allen gilt. Das Ziel dieses Prüfauftrags ist übrigens nicht, Veränderungen möglichst zu verhindern oder das berühmte Haar in jeder Suppe zu finden. Das Ziel ist auch nicht das Prüfen an sich, sondern das Gute zu behalten. Wir suchen gemeinsam das Gute, das aufbaut, weiterbaut, ausrichtet und trägt. Eine schöne Aufgabe für die ganze Gemeinde!

GRUNDSÄTZLICH UNVERZICHTBAR

Für Freie evangelische Gemeinden (FeG) gibt es einiges, das unverzichtbar zum Guten gehört:

  • Die Liebe zu Jesus als unserem Herrn und Erlöser und Freund. Wie schrieb Hermann Heinrich Grafe, der Gründer der ersten FeG, einst: „Es gibt Christen, die wollen aus dem Glauben ein System machen; ich will lieber eine Herzensangelegenheit daraus machen.“ Ich finde das angemessen. Das spricht auch gar nicht gegen eine gute gedankliche Durchdringung. Aber was den Glauben angeht, meine ich: Man denkt nur mit dem Herzen gut.
  • Ebenfalls unverzichtbar ist die feste Verankerung von Glauben, Lehre und Leben in der Bibel, in Gottes Wort. Sie ist der Maßstab, hier finden wir die Kriterien für das Gute, das wir festhalten wollen. Auch wenn uns das Ringen um die rechte Erkenntnis manchmal ganz schön fordert – es hält uns lebendig und wach. Die große Auslegungsgemeinschaft der Gemeinden ist mehr als Schwarmintelligenz. Sie ist eine geistliche Ressource.
  • Zum unverzichtbar Guten gehört auch die Bereitschaft weiterzugehen. Neue Zeiten, neue Anforderungen. Das bedeutet auch Verlust, der betrauert werden muss und darf; und Veränderung, die anstrengend ist. Das geht nur dann gut, wenn klar ist, wofür das geschieht, nämlich: Um Gott zu ehren, der den Wechsel der Zeiten in seine Schöpfung gelegt hat.

GRUNDSÄTZLICH ZU MEIDEN

Im vergangenen Sommer habe ich das Jüdische Museum in Warschau besucht und war absolut beeindruckt! Ich gestehe, gerne hätte ich den Teil über das 20. Jahrhundert ausgespart: das jüdische Ghetto in Warschau, die Deportationen, die Vernichtung von etwa drei Millionen polnischen Juden. Natürlich habe ich mir nicht erlaubt, das auszulassen, und bin mir mehr denn je gewiss, wo die Grenze zum Bösen verläuft:

  • Zum Beispiel dort, wo irgendein menschliches Leben für mehr wert gehalten wird als ein anderes. Völlig gleichgültig, woher ein Mensch kommt, wie er oder sie lebt, wie leistungsfähig oder hilfebedürftig jemand ist – jedem Menschen kommt die volle Würde eines von Gott geliebten Geschöpfes zu. Oder wo man dem Gedanken folgt, dass eine Gruppe von Menschen für alle Unannehmlichkeiten oder alles Unglück verantwortlich gemacht werden kann – auch da verläuft die Grenze zum Bösen. Das Sündenbockprinzip funktioniert erschreckend verlässlich, immer noch; vor allem immer dann, wenn der Wohlstand einer Gesellschaft abnimmt.
  • Ich bin mir mehr denn je gewiss, dass keine Macht auf Erden absolut sein darf. Absolute Macht kommt allein Gott zu. Menschen müssen sich verantworten, müssen Macht teilen und regelmäßig an die Grenzen ihrer Wirksamkeit stoßen, um nicht sich und andere ins Unglück zu stürzen. Das bedeutet, dass Führung Autorität genießen, aber nicht autoritär sein darf; dass sich Christen niemals mit Haut und Haaren an eine Ideologie, einen Politikstil oder einen Verantwortungsträger hängen dürfen; dass man ein heiles Leben allein vom Heiland und nicht von Menschen erwarten kann.

Prüfet alles und das Gute behaltet. Diese Jahreslosung fordert uns grundsätzlich zu Offenheit auf. Wir sollen nicht bei dem bleiben, was unsere Erfahrungen, Emotionen und Mustererkennungen uns beinahe automatisiert vorgeben. Wo der Geist ist, da geschieht Neues und Unerwartetes. Dafür sollen wir offen sein, schreibt Paulus. Es ist aber keine Offenheit für alles Mögliche, sondern für das geistlich Gute – und das meint im Kern: für Gott selbst.

Henrik Otto | Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden | praeses.feg.de

ALLES NEU

Wort des FeG-Präses zur Jahreslosung 2026

Gott spricht: Siehe, ich mache alles neu! | Offenbarung 21,5

 

Henrik Otto

Was für eine gewaltige Aussage: „Siehe, ich mache alles neu!“ Nicht vielen würde man einen solchen Satz ernsthaft abkaufen oder gar seine Erfüllung zutrauen. Treten Menschen mit derart hohen Ansprüchen auf, sind wir jedenfalls eher skeptisch. Oder werden enttäuscht.

WER SPRICHT?

Nun heißt es in der Jahreslosung für 2026 ausdrücklich: „Gott spricht.“ [Genau genommen: Der auf dem Thron saß, sprach.] Das lässt aufhorchen. Gott spricht? Ja genau, Gott lässt den Seher Johannes wissen, was jetzt wichtig ist. In einer Vision sieht er Gott, wie er auf einem Thron sitzt und diese Worte sagt. Was für ein Entgegenkommen, denke ich mir, dass Gott seine Botschaft in Worte und Bilder kleidet, die wir als einfache Menschen verstehen können! Es ist ihm sogar außerordentlich wichtig, dass seine Worte verlässlich festgehalten werden. „Schreibe!“, sagt er dem Seher. Die Gemeinden sollen erfahren, was Gott sagt und zeigt, das Schreiben soll die Runde machen, soll sogar die Zeiten überdauern. Was für ein Wunder göttlicher Kommunikation!

Gott selbst macht also eine Ankündigung, und alle sollen davon erfahren. Er spricht sie von einem Thron aus, was bei dieser Botschaft mehr als angemessen erscheint. Wer sonst als ein himmlischer König könnte wirklich und wahrhaftig alles neu machen? Aber der auf dem Thron sitzt, der kann es.

DIE BEDRÄNGTEN

Die ersten, die davon lasen, waren in arger Bedrängnis. Die Offenbarung des Johannes hat frühe Gemeinden vor Augen, die von innen und von außen unter Druck standen. In den sogenannten „Sendschreiben“ (Kap. 2+3) werden Irrlehrer genannt, die in den Gemeinden wirkten. Sie sind für uns nicht leicht zu identifizieren, weil Johannes alttestamentliche Tarnnamen (Bileam, Isebel) gebraucht. Auch bei den zahlreichen apokalyptischen Bildern, die in den folgenden Kapiteln Verwendung finden, kann man davon ausgehen, dass die Bedeutung für die ersten Leser auf der Hand lag. Wir Heutige müssen uns dagegen erst einmal mit den damaligen Gegebenheiten und Metaphern vertraut machen, damit die Offenbarung kein Buch mit sieben Siegeln bleibt!

Von außen, also vonseiten der Gesellschaft, machte den angeschriebenen Gemeinden neben gelegentlichen Konflikten mit Synagogengemeinden vor allem der zunehmende Kaiserkult Mühe. Er galt als Zeichen der Loyalität mit der römischen Herrschaft. Kaiser Domitian (81–96) ließ sich beispielsweise seit 85 n. Chr. „dominus et deus noster“ („unser Herr und Gott“) nennen. Das konnten und wollten die Christen des ersten Jahrhunderts nicht mitmachen. Ihnen war klar, der Platz auf dem göttlichen Thron ist vergeben, und zwar unumstößlich. Und so gerieten sie schnell in die Rolle von Oppositionellen. Zeitweise herrschte aufgrund des Kaiserkults ein sehr angespanntes Klima der Denunziation in der damaligen Gesellschaft.

Je größer der Druck, je heftiger die Bedrängnis, umso erlösender wirken diese Worte: „Siehe, ich mache alles neu!“ Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie mancher damals sagte: „Ja, bitte! Und gerne schnell!“ So ähnlich klingt es dann tatsächlich auch gegen Ende der Schrift (vgl. Offenbarung 22,17).

DIE SCHÖNSTEN BILDER

Wenn alles neu wird, bleibt nichts mehr beim Alten. Um das anschaulich zu machen, werden die schönsten Beschreibungen und Bilder zusammengetragen. Hier eine kleine Auswahl: Ein neuer Himmel und eine neue Erde werden geboren. Das Meer, in der alten Welt ein Sinnbild für Chaos, Bedrohung und Gottesferne (Offenbarung 13,1!) muss erst seine Toten herausgeben (20,13) und dann verschwinden (21,1). Was zurückkehrt, ist Wasser, wie es sein sollte, nämlich Wasser des Lebens (22,1–2). Alles grünt und blüht und trägt Früchte, was mit diesem Wasser in Berührung kommt (22,2). Und das Beste ist, dass Gott der Mittelpunkt dieser neuen Schöpfung sein wird (21,3). Er selbst ist so hell und strahlend, dass es keine Sonne mehr braucht, um sich zurechtzufinden.

Diese großartige Neuschöpfung rechtfertigt allemal die Worte „alles neu“ und alles wunderschön! Hier gibt es keinen Anlass mehr für Tränen, Angst und Geschrei. Der große Schmerz der Welt und ihrer Bewohner wird ein Ende haben. Wie sehr ich mir das für die vielen Leidenden, Verfolgten, Einsamen, Missbrauchten und Kriegsgeschundenen wünsche. Wie sehr ich mir wünsche, dass angesichts dieser Beschreibungen von purem Glück und tiefem Sinn sogar die Erfolgreichen ihre Bedürftigkeit und wir Reichen unsere Armut erkennen.

Denn vieles vergeht mit dieser Welt. Es hat dort keine Bedeutung mehr, wo alles neu wird. Das ist auch der Grund, warum die Erlösung durch Jesus Christus der einzige Weg in diese neue Welt Gottes ist. Sie befreit von allem, was vergehen muss, weil es in Gottes Gegenwart nicht existieren kann: Sünde als Trennung von Gott ist dort undenkbar, wo Gott allgegenwärtig ist. Fixierung auf uns selbst ist undenkbar, wo Anbetung Gottes so selbstverständlich wie das Atmen ist. Unbarmherzigkeit ist unvorstellbar, wo jeder und jede nur aus einem einzigen Grund anwesend sind: weil Gott gnädig ist. Der Tod ist dort undenkbar, wo das Leben unbegrenzt ist. Und weil wir alle zutiefst in diese Dinge verstrickt sind, ist Erlösung Gottes Wunsch für jeden Menschen. Und der einzige Weg hinein in seine neue Schöpfung. Sie verschafft uns schon jetzt einen Vorgeschmack auf Gottes „alles neu“ am Ende der Zeit, denn sie hat am Kreuz und im leeren Grab bereits begonnen.

VON VORNE LEBEN

Ich meine, das sind wirklich gute Aussichten! Der Kosmos geht nicht einfach auf seinen Untergang zu, sondern auf seine Vollendung. Deshalb ist die Zukunft Hoffnungsland. Und Christen, erlöste Jesus-Nachfolger, sind Menschen der Hoffnung. Sie leben von den besten Aussichten und auf sie zu. Das macht einen gewaltigen Unterschied für das alltägliche Lebensgefühl zwischen allerlei Aufs und Abs, und auch für die besonderen Momente und weitreichenden Weichenstellungen. Je stärker und konkreter die Hoffnung, umso höher die Widerstandskraft bei Gegenwind. Es muss ja nicht immer gleich ein Kaiserkult sein … Je stärker die Hoffnung, umso ausgeprägter die Fähigkeit, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit auszuhalten. Christsein ist ein Leben, das entscheidend von der Zukunft beeinflusst ist. Es ist, wenn man so will, ein Leben von vorne.

Ein Leben von vorne durchbricht die vermeintliche Allmacht von „Hinterher ist man immer schlauer!“ Das mag für viele Alltagssituationen gelten. Aber für die richtig wichtigen Dinge gilt: Der Ausgang steht fest und es hat schon begonnen: Alles wird neu! Und genau davon lasse ich mich jetzt schon inspirieren. Wenn dieses Leben hier so etwas wie der Auftakt zur großen, ewigen Symphonie Gottes ist, darf es gerne schon zum folgenden Meisterwerk passen. Auch wenn es nur wenige Noten sind im Vergleich zu dem Stück, das noch folgt, sollen sie Lust machen auf mehr. Sie sollen den Rhythmus und die Melodie des Neuen wenigstens in Anklängen vorwegnehmen und eine Ahnung davon erzeugen, was noch kommt. 

An der Metapher vom Auftakt gefällt mir, dass dieser Takt zu Beginn eines Musikstücks immer ein unvollständiger Takt vor dem ersten vollständigen Takt ist. Irgendwie ein passendes Bild! Menschen sind für mehr geschaffen als für dieses Leben – es wird hier nicht vollständig. Wir können in Raum und Zeit nicht ausschöpfen, was wir uns im Geiste ausmalen und erhoffen. Es zu versuchen, kann einem sogar eher den Frieden rauben, als die Erfüllung bringen. Deshalb versuche ich, von vorne zu leben, und warte ich auf den einen, der zu Recht sagt: „Siehe, ich mache alles neu.“

Henrik Otto | Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden | praeses.feg.de


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