Auf ein Wort
Gibt es eine Jahreszeit, in die Ostern besser passt als der Frühling? Ich finde nicht. Während ich diese Zeilen schreibe, haben wir seit Tagen Temperaturen um die Null Grad, der Himmel ist grau und die Bäume sehen tot und trostlos aus. Die ersten Zugvögel haben sich allerdings schon auf den Weg zu uns zurück gemacht. Dieses Schauspiel am Himmel weckt jedes Jahr die Hoffnung in mir, dass die Tage des Winters gezählt sind. Und im März ist es oft so weit, dass ich bei angenehmen Temperaturen die Balkonsaison eröffne und mich von der Sonne wärmen lasse. Und jedes Jahr bestaune ich aufs Neue, wie die Natur erst zögerlich und dann explosionsartig zum Leben erwacht.
Als unsere Kinder klein waren, habe ich mit ihnen ein paar Mal einen Ostergarten in einer Kiste gestaltet und so versucht, die Ostergeschichte plastisch darzustellen. Der Weg zum Kreuz war steinig und hinter den Kreuzen haben wir tote Äste platziert. Beim Formen eines Kranzes aus Brombeerzweigen habe ich eine leise Ahnung davon bekommen, welche Schmerzen Jesus allein durch den Dornenkranz leiden musste. Ein Grab wurde als Höhle mit einem flachen Stein halb geöffnet dargestellt und mit Blumen geschmückt, um Leben zu symbolisieren. Eine schöne Möglichkeit, den Kindern und auch mir die Bedeutung von Ostern nahezubringen. Jesus hat den Tod am Kreuz besiegt.
Nun habe ich seitdem viele Osterfeste gefeiert und muss gestehen, dass es mir oft viel zu leicht von den Lippen kommt, dass Jesus für mich am Kreuz gestorben und an Ostern auferstanden ist. Daher bin ich froh, dass wir uns regelmäßig im Abendmahl daran erinnern, was es Jesus gekostet hat, dass wir nun von Schuld befreit leben und in Ewigkeit bei Gott sein dürfen.
Ein Vers, der mich in einer Freizeit ganz besonders getroffen hat, steht in Römer 8,11 und 20. Dort steht „Wenn aber der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.“ Ist das nicht unglaublich?
In Epheser 1,19-20 beschreibt Paulus den Geist auch als Kraft. „Ihr sollt begreifen, wie überwältigend groß die Kraft ist, mit der er an uns, den Glaubenden, wirkt. Es ist dieselbe gewaltige Kraft, mit der er an Christus gewirkt hat, als er ihn vom Tod auferweckte und in der himmlischen Welt an seine rechte Seite setzte.“
Lasst uns Ostern auch unter diesem Aspekt feiern. Wir haben durch den Heiligen Geist dieselbe Kraft in uns, die Christus von den Toten auferweckt hat. Und wenn wir uns im Frühling am frischen Grün der Bäume und der Blütenpracht erfreuen, soll uns das ermutigen, dem Geist, der in uns lebt, Raum zu geben. So werden in unserem Leben gute Früchte wachsen, die wiederum auf den auferstanden Herrn Jesus Christus hinweisen.
Ich wünsche Euch eine schöne Frühlingszeit und gesegnete Osterfeiertage.
Eure Sandra Auler-Emde
FeG-Präses zur Jahreslosung 2025
Prüfet alles und behaltet das Gute.
1. Thessalonicher 5,21
GRUNDSÄTZLICH OFFEN. FÜR GOTT.
Laut wissenschaftlichen Schätzungen trifft ein Mensch durchschnittlich etwa 20.000 bis 35.000 Entscheidungen pro Tag. Die Anzahl kann stark variieren, abhängig von individuellen Faktoren wie der Komplexität der täglichen Aufgaben, der Persönlichkeit und dem Lebensstil.
Die meisten dieser Entscheidungen sind unbewusst und betreffen alltägliche Dinge, wie z. B. die Wahl der Kleidung, was man isst oder wie man sich bewegt. Nur ein kleiner Teil der Entscheidungen erfordert bewusstes Nachdenken, etwa bei wichtigen beruflichen oder privaten Angelegenheiten.
Interessant ist, dass viele Entscheidungen auf emotionaler Ebene bereits gefallen sind, bevor wir bewusst darüber nachdenken. Das liegt daran, dass unser Gehirn emotionale und intuitive Prozesse häufig schneller durchführt als die rationalen Überlegungen. Dann braucht es einen bewussten Denkprozess, um sich selbst ggf. noch einmal umzustimmen und nicht nur Gründe für die schon gefundene Lieblingslösung zu sammeln.
GRUNDSÄTZLICHER KOMPASS
Die neue Jahreslosung ist ein bemerkenswert verlässlicher Kompass für solche Herausforderungen: „Prüfet alles und das Gute behaltet.“ So schreibt es der Apostel Paulus an die Gemeinde in Thessalonich. Am Ende seines Briefes verdichtet er wesentliche Erkenntnisse für die persönliche Nachfolge und den Gemeindeaufbau zu äußerlich unscheinbaren, aber hochwirksamen Sätzen. Der Vers des Jahres 2025 ist einer davon.
Ein meditatives Experiment dazu? Wie gehaltvoll die Worte sind, merkt man, wenn man ihnen durch Betonung Gewicht verleiht: Prüfet alles und das Gute behaltet. Prüfet alles und das Gute behalten. Prüfet alles und … usw. Wenn ich mich nicht täusche, schillert der Satz so in sechs verschiedenen Weisen. Für jeden Werktag der Woche eine eigene Perspektive!
Auch wenn jede Aufforderung des Paulus (5,14–24) gut für sich stehen könnte, ist es doch ratsam, den Zusammenhang im Auge zu behalten. Dort geht es nämlich nicht um eine allgemeine Suche nach dem Wahren, Guten und Schönen. Was den Abschnitt zusammenhält, findet sich vielmehr am Ende: Gott, der Frieden schenkt, mache euch ganz und gar zu Heiligen. (Vers 23 | Basis Bibel). Ein starker Satz. So weit soll es also noch kommen mit uns!
Was für eine Aussicht, einmal ganz und gar heil zu sein, ganz und gar ungebrochen an Leib, Seele und Geist. Ein Mensch aus einem Guss vor Gott und für Gott. Das kann man nicht machen, das macht nur Gott. Geplanter Zieleinlauf: Bei der Wiederkunft Jesu.
Wesentlich für diesen Weg ist, was Paulus zuvor für ein Leben im Glauben empfiehlt: zum Beispiel ein dankbares Herz, eine Haltung des Gebets, Geduld für jedermann, Hilfe zu einem geregelten Leben und Ermutigung für die Ängstlichen. Dazu tritt die Jahreslosung mit ihren Begleitern (Verse 19–21), Verse, die die Bedeutung des Heiligen Geistes hervorheben. Er, Gottes Geist, ist Motor und Kompass auf dem anspruchsvollen Weg der Nachfolge. Wir brauchen ihn unbedingt! Es wäre fatal, ihn außen vor zu halten oder ihm allerhand andere Geisteshaltungen gleichzusetzen. Nein, sondern er braucht und verdient Raum in unserem Leben, und zwar konkurrenzlos.
Das also ist unsere Jahreslosung im Zusammenhang: Gottes Geist leitet, begabt, lehrt, tröstet, feuert an (Vers 19) und spricht das aktuelle Wort zur Lage (Vers 20). Das ist das Gute, das es festzuhalten gilt (Vers 21). Und sollte etwas aus einem anderen, schädlichen Geist heraus gesprochen oder angetrieben sein, sollten wir es lieber heute als morgen loslassen.
GRUNDSÄTZLICH OFFEN
Mich begeistert die grundsätzliche Offenheit des Paulus für Gottes Reden und Wirken mitten in unserem (Gemeinde-)Leben. Die Geistvergessenheit, die sich in Teilen des abendländischen Christentums breitgemacht hat, wäre ihm suspekt gewesen. Er fordert die Gemeinde in Thessalonich auf, den Heiligen Geist nur ja nicht zu hindern und einzuschränken. Dabei ist an die ganze Bandbreite seines im Neuen Testament bezeugten Wirkens gedacht. Und klar, dabei kann es auch zu Auswüchsen kommen: Menschen, die sich profilieren wollen; Aussagen, die dem Evangelium entgegenstehen; oder Einseitigkeiten, die dem Leben nicht gerecht werden.
Deshalb auch der Prüfauftrag. Nur – ein ängstliches Reproduzieren vermeintlicher Richtigkeiten, das wäre Paulus zu wenig gewesen. Das ist auch für einen Gemeindebund zu wenig, der eine geistliche Bewegung sein möchte und nicht nur ein Zweckverband. Es ist für jeden und jede von uns zu wenig, weil wir auf Jesus hinleben, weil das neue Leben mit ihm schon begonnen hat. Denn das zeigt sich in der vitalisierenden Anwesenheit von Gottes Geist.
GRUNDSÄTZLICH ALLE
Es gibt die besondere Begabung einzelner, ein prophetisches Wort zu sagen, besondere Erkenntnisse einzubringen oder die hohe Sensibilität, der Gemeinde Jesu auf ihrem Weg in die zukünftige Welt den Weg durch die jetzige zu weisen, das steht außer Frage. Und doch richtet sich Paulus an alle Christen, an die ganze Gemeinde: Sie ist aufgefordert und in der Lage, verantwortliche Entscheidungen zu treffen. Sie kann Aussagen und Wegweisungen geistlich bewerten und sollte das auch tun!
Gemeinde zu bauen ist keine Aufgabe für ein paar Spezialisten, sondern eine Berufung, die grundsätzlich allen gilt. Das Ziel dieses Prüfauftrags ist übrigens nicht, Veränderungen möglichst zu verhindern oder das berühmte Haar in jeder Suppe zu finden. Das Ziel ist auch nicht das Prüfen an sich, sondern das Gute zu behalten. Wir suchen gemeinsam das Gute, das aufbaut, weiterbaut, ausrichtet und trägt. Eine schöne Aufgabe für die ganze Gemeinde!
GRUNDSÄTZLICH UNVERZICHTBAR
Für Freie evangelische Gemeinden (FeG) gibt es einiges, das unverzichtbar zum Guten gehört:
- Die Liebe zu Jesus als unserem Herrn und Erlöser und Freund. Wie schrieb Hermann Heinrich Grafe, der Gründer der ersten FeG, einst: „Es gibt Christen, die wollen aus dem Glauben ein System machen; ich will lieber eine Herzensangelegenheit daraus machen.“ Ich finde das angemessen. Das spricht auch gar nicht gegen eine gute gedankliche Durchdringung. Aber was den Glauben angeht, meine ich: Man denkt nur mit dem Herzen gut.
- Ebenfalls unverzichtbar ist die feste Verankerung von Glauben, Lehre und Leben in der Bibel, in Gottes Wort. Sie ist der Maßstab, hier finden wir die Kriterien für das Gute, das wir festhalten wollen. Auch wenn uns das Ringen um die rechte Erkenntnis manchmal ganz schön fordert – es hält uns lebendig und wach. Die große Auslegungsgemeinschaft der Gemeinden ist mehr als Schwarmintelligenz. Sie ist eine geistliche Ressource.
- Zum unverzichtbar Guten gehört auch die Bereitschaft weiterzugehen. Neue Zeiten, neue Anforderungen. Das bedeutet auch Verlust, der betrauert werden muss und darf; und Veränderung, die anstrengend ist. Das geht nur dann gut, wenn klar ist, wofür das geschieht, nämlich: Um Gott zu ehren, der den Wechsel der Zeiten in seine Schöpfung gelegt hat.
GRUNDSÄTZLICH ZU MEIDEN
Im vergangenen Sommer habe ich das Jüdische Museum in Warschau besucht und war absolut beeindruckt! Ich gestehe, gerne hätte ich den Teil über das 20. Jahrhundert ausgespart: das jüdische Ghetto in Warschau, die Deportationen, die Vernichtung von etwa drei Millionen polnischen Juden. Natürlich habe ich mir nicht erlaubt, das auszulassen, und bin mir mehr denn je gewiss, wo die Grenze zum Bösen verläuft:
- Zum Beispiel dort, wo irgendein menschliches Leben für mehr wert gehalten wird als ein anderes. Völlig gleichgültig, woher ein Mensch kommt, wie er oder sie lebt, wie leistungsfähig oder hilfebedürftig jemand ist – jedem Menschen kommt die volle Würde eines von Gott geliebten Geschöpfes zu. Oder wo man dem Gedanken folgt, dass eine Gruppe von Menschen für alle Unannehmlichkeiten oder alles Unglück verantwortlich gemacht werden kann – auch da verläuft die Grenze zum Bösen. Das Sündenbockprinzip funktioniert erschreckend verlässlich, immer noch; vor allem immer dann, wenn der Wohlstand einer Gesellschaft abnimmt.
- Ich bin mir mehr denn je gewiss, dass keine Macht auf Erden absolut sein darf. Absolute Macht kommt allein Gott zu. Menschen müssen sich verantworten, müssen Macht teilen und regelmäßig an die Grenzen ihrer Wirksamkeit stoßen, um nicht sich und andere ins Unglück zu stürzen. Das bedeutet, dass Führung Autorität genießen, aber nicht autoritär sein darf; dass sich Christen niemals mit Haut und Haaren an eine Ideologie, einen Politikstil oder einen Verantwortungsträger hängen dürfen; dass man ein heiles Leben allein vom Heiland und nicht von Menschen erwarten kann.
Prüfet alles und das Gute behaltet. Diese Jahreslosung fordert uns grundsätzlich zu Offenheit auf. Wir sollen nicht bei dem bleiben, was unsere Erfahrungen, Emotionen und Mustererkennungen uns beinahe automatisiert vorgeben. Wo der Geist ist, da geschieht Neues und Unerwartetes. Dafür sollen wir offen sein, schreibt Paulus. Es ist aber keine Offenheit für alles Mögliche, sondern für das geistlich Gute – und das meint im Kern: für Gott selbst.
Henrik Otto | Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden | praeses.feg.de